Sie heißen Elfie, Lasse, Hilde und Sam – und sind der Traum eines jeden Erziehenden. Kommen die Jungs und Mädel in die Klasse, sinkt der Lärmpegel. Konflikte entschärfen sich, das Stresslevel reduziert sich – auch schon allein im Vorübergehen auf dem Flur. Kinder werden empathischer. Oder selbstbewusster. Und mutiger. Rein intuitiv „bauen diese Hunde Brücken und reißen Mauern ein“. Wer am Rand steht, wird „in die Mitte geholt“. Sagt Jan-Christopher Lehnen, Verhaltenstherapeut und Hundetrainer in einer Person. Wenn er einmal anfängt, vom Schulbegleithund an und für sich zu schwärmen, kann es erstens ein bisschen länger dauern und wird es einem zweitens richtig warm ums Herz. Spätestens, wenn man die Vierbeiner in Aktion sieht, ist man selbst als Laie hin und weg.

Dabei sind Schulhunde ja keine so ganz neue Erfindung. Was macht das Ganze so besonders hier? Nun, während sich andere Schulgemeinschaften glücklich schätzen, ein oder zwei, in sehr seltenen Fällen auch mal drei Hunde zum Kollegium zu zählen, sind es an der Ganztagsgemeinschaftsschule Haspelstraße vier. Tendenz steigend. „Mein Ziel ist es, die pädagogische Arbeit mit den Schulhunden strukturell in den Schulalltag und in das pädagogische Konzept der Schule zu implementieren“, erklärt Schulleiter Clemens Wilhelm. „Ein Schulhund in jedem Jahrgang wäre erstrebenswert.“ Bei neun Klassenstufen würde sich die Zahl also im besten Falle zukünftig mehr als verdoppeln.

Der Anfang lässt sich schon mal gut an. Begonnen hat alles mit einer kleinen Rauhaardackeldame. Vom Wesen her „entspannt, sehr zugänglich“, manchmal vielleicht eine Spur zu euphorisch, ist Elfie die ideale Besetzung für den Job, schwärmt „Herrchen“ Nils Giesen. „Meine Eltern hatten auch schon diese Rasse.“ Eigentlich sind Rauhaardackel ja Jagdhunde. Doch der Jagdtrieb wurde ihr erfolgreich abtrainiert. Würde ein Schwarm Gänse vor ihr auf der Wiese picknicken, es wäre Elfie herzlich egal. Giesen, Lehrer für Deutsch und Mathematik, pendelt täglich von Schweich bei Trier nach Neunkirchen. „Im Winter 2020 absolvierte Elfie den Eignungstest.“ Seit diesem Schuljahr begleitet sie ihn zwei- bis dreimal pro Woche. Noch befindet sich seine patente Assistentin und ihre vierbeinigen Mitstreiter in Ausbildung, die etwa sieben Monate dauert. Lehnen kommt einmal pro Woche an die Schule und trainiert mit ihnen. „Hauptsächlich erarbeiten wir neuen Übungen.“ Wie die mit den Socken, die Younes (12) und Damaris (11) jetzt bis zur Hälfte über die Hand ziehen. Elfie beißt vorsichtig in die Spitze und zieht und ruckelt, bis sie den Strumpf erfolgreich in ihren Besitz gebracht hat. Die Dackelhündin bekommt ein Leckerli, die Siebtklässler dürfen eine Matheaufgabe lösen. 12 x 7 = 84. Dürfen? Es geht um Motivation, erläutert Christian Lamberti, der Mathe, Physik und Naturwissenschaften unterrichtet. Wer sonst keine Lust oder auch Hemmungen hat, mitzuarbeiten oder im Morgenkreis etwas zu erzählen, meldet sich eher, wenn er dafür mit dem Tier interagieren darf.

„Ich freue mich auf die Schule, wenn ich weiß, dass Elfie kommt“, nickt Mina (12). Anfänglich habe sie „sehr viel Angst“ gehabt, verrät Klassenkameradin Elmedina (13). „Ich weiß nicht, warum.“ Im Zeltlager sei ihr der Dackel in den Wald hinterher gerannt. Aber inzwischen haben sie viel Spaß miteinander. „Ein Hund bewertet nicht, er freut sich über jeden Menschen“, weiß Lehnen. So schwer es etwa geflüchteten Muslimen fällt, so groß sei der Gewinn, wenn sie lernen, Hunde zu tolerieren oder gar zu mögen. „Das erhöht die Akzeptanz in der Gesellschaft.“

Einen Migrationshintergrund hat auch Lasse. Den Mischling brachte die Tierrettung Griechenland nach Saarlouis zu den Lambertis. Der etwas ein Jahr alte Rüde ist zurückhaltend, sensibel, schüchtern – und damit pädagogisch anders wertvoll als Elfie: „Die Kinder werden ruhiger, nehmen Rücksicht.“ Lasse hat sogar schon mal in Vertretung einer telefonierenden Lehrerin kurzzeitig Aufsicht geführt. Als es dem Tier zu laut in der Klasse wurde, lief es aus dem Raum. Die Schüler holten ihn zurück und disziplinierten sich Lasse zuliebe.

Auch Hilde, die Promenadenmischung von Integrationshelfer Thomas Brill, wurde gerettet:  mit vier Monaten aus einer Gaskammer in Spanien. Mit ihrer Größe und 30 Kilo Lebendgewicht ist sie der respekteinflößendste der Hunde. „Einige Kinder haben Angst, aber die ignoriert sie“, betont Brill, der ansonsten nur Erfolgserlebnisse vorweisen kann „Wo wir rein kommen, heißt es gleich: Sei leise, es Hilde ist da.“ Ein kleiner Fünftklässler, früher sehr verschlossen, sei inzwischen „gechillt unterwegs“. Und „hibbelige Kids werden ruhiger“. Sam, der neun Monate junger Jack Russell Terrier und vierte im Bunde, war beim Fototermin nicht im Dienst. „Die Rasse ist egal“, ergänzt Maike Lehnen. „Wir schließen nichts aus.“ Assoziieren würde man zwar meist Labradore und Golden Retriever, quasi die Schulhund-Klassiker. Dabei eigne sich prinzipiell jeder Hund, sogar sogenannte Listenhunde wie Bullterrier.

Vor fünf Jahren hat das Ehepaar Lehnen ihr Discovery Dog – Zentrum für Hundeerziehung, Verhaltenstherapie und tiergestützte Therapie und Pädagogik in Kirkel-Limbach gegründet. Außer Schulhunden bildet es auch Besuchs-, Therapiebegleit- und Assistenzhunde aus. Mit großem Anspruch: „Uns unterscheidet vom Gros, dass wir schauen, was und wo unterrichtet wird und dass wir fächergezielt arbeiten.“ Regulär kostet die Schulbegleithunde-Ausbildung 800 Euro pro Schnauze, die GGS dagegen keinen Cent. „Für uns ist das ein Pilotprojekt“, dazu ein „sehr fortschrittliches“, begründet Maike Lehnen ihr Engagement. „Hier wird nicht nur einfach der eigene Hund mitgenommen“, sondern gezielt ausgebildet und ausgewählt. „Das hat Hand und Fuß.“ Sie freuen sich, dass „das Projekt wächst“ – und zum Nachahmen animiert. „Die Hunde sind ein echter Mehrwert für unsere Schule“, strahlt Wilhelm, ein „großes Dankeschön“ an die Kooperationspartner richtend. „Wir haben zum Ziel, dass ihre Anwesenheit normal ist.“